Ein Vektorraum V über einem Körper K ist im Wesentlichen eine Menge, deren Elemente man addieren und mit den Elementen von K multiplizieren kann. Die Elemente von V heißen Vektoren; die Elemente von K werden im Zusammenhang mit dem Vektorraum Skalare genannt.
Definition: Sei K ein Körper. Eine Menge V heißt Vektorraum über K, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Wir verwenden dasselbe Zeichen + für die Addition in K wie auch für die Addition in V, ebenso dasselbe Zeichen · für die Multiplikation in K wie auch für die Multiplikation zwischen K und V. Auch die 0 bezeichnet einerseits das Nullelement 0 ∈ K und andererseits den Nullvektor 0 ∈ V.
Beispiel: Die Menge der Paare (a, b) mit a, b ∈ K ist ein Vektorraum über K, d.h. V = K × K.
Hierbei sind die Addition in V und die Multiplikation zwischen K und V komponentenweise definiert:
(a, b) + (c, d) = (a+c, b+d) und
k·(a, b) = (k·a, k·b)
für alle (a, b), (c, d) ∈ V sowie k ∈ K. Der Nullvektor ist (0, 0).
Allgemein ist auch Kn ein Vektorraum über K, also z.B. ℝ3 über ℝ oder 𝔹n über 𝔹.
Ferner ist die Menge der Polynome mit Koeffizienten aus K ein Vektorraum über K.
Die Menge aller Abbildungen von einer nichtleeren Menge M in K ist ein Vektorraum über K.
Satz: (Rechenregeln in V)
Es gilt für alle v ∈ V und k ∈ K:
0·v = 0,
k·0 = 0,
(-1)·v = -v.
Beweis: Es gilt
0·v = (0+0)·v = 0·v + 0·v| -(0·v)
0 = 0·v
Ebenso gilt
k·0 = k·(0+0) = k·0 + k·0| -(k·0)
0 = k·0
Wenn eine Teilmenge U eines Vektorraums V für sich genommen die Vektorraumaxiome erfüllt, bildet sie einen Unterraum oder Teilraum von V. Dies ist bereits dann der Fall, wenn sie hinsichtlich der Addition von Vektoren und Multiplikation mit Elementen des Körpers abgeschlossen ist.
Definition: Sei V ein Vektorraum über einem Körper K. Eine Teilmenge U ⊆ V heißt Unterraum oder Teilraum von V, wenn gilt
u + v ∈ U für alle u, v ∈ U,
k·u ∈ U für alle u ∈ U, k ∈ K.
Beispiel: Die Menge aller Paare (a, 0) bildet einen Unterraum von ℝ2. Die Menge aller Polynome vom Grad ≤ 3 ist ein Unterraum des Vektorraums aller Polynome.
Definition: Sei V ein Vektorraum über einem Körper K und T eine Teilmenge von V. Ein Vektor u heißt Linearkombination von T, wenn es endliche viele Vektoren v1, ..., vm ∈ T und Koeffizienten k1, ..., km ∈ K, m ∈ ℕ0 gibt mit
u = k1·v1 + ... + km·vm.
Die Menge aller Linearkombinationen von T wird als das Erzeugnis 〈T〉 von T bezeichnet.
Beispiel: Der Vektor (3, 5) ∈ ℝ2 ist eine Linearkombination von T = {(1, 0), (0, 1)}, denn
(3, 5) = 3·(1, 0) + 5·(0, 1).
Tatsächlich wird sogar ℝ2 von T erzeugt
ℝ2 = 〈T〉,
denn jeder Vektor (a, b) ∈ ℝ2 ist Linearkombination von T:
(a, b) = a·(1, 0) + b·(0, 1).
Wir lassen bei der Definition des Begriffs Linearkombination auch den Fall m = 0 zu. Das Ergebnis einer Summation von 0 Summanden ist der Nullvektor. Der Nullvektor ist also stets Linearkombination einer beliebigen Menge T.
Ist T = ∅ , so ist der Nullvektor die einzig mögliche Linearkombination. Es ist also 〈 ∅ 〉 = {0}.
Satz: Sei V ein Vektorraum über einem Körper K und T eine Teilmenge von V. Dann ist das Erzeugnis 〈T〉 ein Teilraum von V.
Beweis: Es ist zu zeigen, dass 〈T〉 hinsichtlich Addition und Multiplikation abgeschlossen ist.
Seien u, v ∈ 〈T〉. Dann sind u und v Linearkombinationen von T :
u = j1·u1 + ... + jm·um mit ui ∈ T, ji ∈ K,
v = k1·v1 + ... + kn·vn mit vi ∈ T, ki ∈ K.
Damit ist aber auch u + v Linearkombination von T und damit Element von 〈T〉:
u + v = j1·u1 + ... + jm·um + k1·v1 + ... + kn·vn.
Gleiches gilt für k·u mit k ∈ K:
k·u = (k·k1)·u1 + ... + (k·km)·um.
Definition: Sei T eine Teilmenge eines Vektorraums V über einem Körper K. Die Menge T heißt linear abhängig, wenn der Nullvektor als Linearkombination von T dargestellt werden kann, wobei mindestens ein Koeffizient ki ungleich 0 ist.
D.h. es gibt Vektoren v1, ..., vm ∈ T und Koeffizienten k1, ..., km, wobei m ∈ ℕ und mindestens ein ki ≠ 0, sodass
0 = k1·v1 + ... + km·vm.
Eine Menge von Vektoren, die nicht linear abhängig ist, heißt linear unabhängig.
Mit den Vektoren einer linear unabhängigen Menge lässt sich der Nullvektor nicht darstellen, außer wenn alle Koeffizienten gleich 0 sind.
Beispiel: Die Menge {(1,0), (0,2), (2,3)} ⊆ ℝ2 ist linear abhängig, denn der Nullvektor hat die Darstellung
0 = 2·(1,0) + 1.5·(0,2) – 1·(2,3).
Bemerkung: Die leere Menge ist linear unabhängig, denn es gibt keine Vektoren in der leeren Menge, durch die sich der Nullvektor darstellen lässt. Dagegen ist jede Menge, die den Nullvektor enthält, linear abhängig.
Definition: Sei V ein Vektorraum. Eine maximale Menge B von linear unabhängigen Vektoren aus V heißt Basis von V. Die Mächtigkeit von B heißt Dimension von V:
dim(V) = |B|.
Beispiel: Die Menge B = {(1,0), (0,1)} ist Basis von ℝ2, d.h. ℝ2 hat die Dimension 2.
Die Menge {x0, x1, x2, x3, ... } ist Basis des Vektorraums K[x] aller Polynome über einem Körper K. Somit ist dim(K[x]) = ∞.
Bemerkung: Stets ist {0}, die Menge, die nur aus dem Nullvektor besteht, ein Vektorraum. Die leere Menge ist Basis dieses Vektorraums, d.h. seine Dimension ist 0.
Satz: Sei B eine Basis eines Vektorraums V über K. Dann lässt sich jeder Vektor v ∈ V als Linearkombination von Basisvektoren darstellen, d.h. B erzeugt V:
V = 〈B 〉.
Beweis: Sei v ∈ V. Gilt v = bi für einen der Basisvektoren, so ist dieses die Darstellung. Ist v nicht in B enthalten, so ist B ∪ {v} linear abhängig, denn B ist eine maximale linear unabhängige Teilmenge von V.
Der Nullvektor lässt sich also als Linearkombination von B ∪ {v} darstellen, wobei mindestens ein Koeffizient ki ungleich 0 ist. Insbesondere muss der Koeffizient von v ungleich 0 sein, denn mit den Basisvektoren allein lässt sich der Nullvektor nicht darstellen. D.h. es gibt Basisvektoren b1, ..., bm, m ∈ ℕ0 mit
0 = k0·v + k1·b1 + ... + km·bm.
Da k0 ≠ 0, lässt sich v darstellen als
v = -k1/k0·b1 – ... – kn/k0·bn.
Definition: Sei V ein Vektorraum über K. Eine Verknüpfung · : V × V → K heißt Skalarprodukt, wenn sie folgende Eigenschaften hat:
für alle u, v, w ∈ V und k ∈ K.
Man beachte wiederum die unterschiedlichen Rollen der Zeichen + und ·, die gleichermaßen für die Verknüpfungen innerhalb von K, zwischen K und V, und innerhalb von V verwendet werden.
Andere übliche Schreibweisen für das Skalarprodukt von zwei Vektoren u und v sind neben u·v auch (u,v) oder 〈u,v〉.
Definition: In Kn ist das Skalarprodukt definiert als
u · v = i = 1, ..., n ui·vi
für alle u, v ∈ Kn.
Fasst man u und v als 1 × n-Matrizen auf, so entspricht das Skalarprodukt u · v dem Matrixprodukt u · vT.
Beispiel: Sei V = ℝ3, u = (1 2 0), v = (3 4 5). Dann ist
u · v = 1·3 + 2·4 + 0·5 = 11.
Sei V = 𝔹5, u = 1 0 0 1 1, v = 1 0 1 1 0. Dann ist
u · v = 1·1 ⊕ 0·0 ⊕ 0·1 ⊕ 1·1 ⊕ 1·0 = 0.
Satz: (Rechenregeln für das Skalarprodukt)
Es gilt für alle u, v ∈ V
(-u)·v = -(u·v) und
0·v = 0.
Die zweite Regel besagt, dass das Skalarprodukt zwischen dem Nullvektor und einem beliebigen Vektor v den Skalar 0 ergibt.
Beweis:
(-u)·v | | | -u = (-1)·u | |||
= ((-1)·u)·v | | | Eigenschaft 3 des Skalarprodukts anwenden | |||
= (-1)·(u·v) | | | Rechenregel aus K anwenden | |||
= -(u·v) | |||||
0·v | | | 0 = v + (-v) | |||
= (v + (-v))·v | | | Eigenschaft 2 des Skalarprodukts anwenden | |||
= v·v + (-v)·v | | | Rechenregel s. o. anwenden | |||
= v·v + (-(v·v)) | | | additiv inverse Elemente in K | |||
= 0 |
Definition: Sei V ein Vektorraum, in welchem ein Skalarprodukt definiert ist. Zwei Vektoren x und y heißen orthogonal zueinander, wenn ihr Skalarprodukt gleich 0 ist:
u ⊥ v ⇔ u · v = 0.
Alle Vektoren sind orthogonal zum Nullvektor, insbesondere ist der Nullvektor orthogonal zu sich selbst.
Beispiel: Sei V = ℝ2, u = (1 2), v = (-2 1). Dann ist
u · v = 1·(-2) + 2·1 = 0.
Interpretiert man den ℝ2 als die Menge der Ortsvektoren zu Punkten in der Ebene, so stehen orthogonale Vektoren senkrecht aufeinander.
Sei V = 𝔹n. Dann ist jeder Vektor mit einer geraden Anzahl von Einsen orthogonal zu sich selbst, z.B. u = 1 0 0 1:
u · u = 1·1 ⊕ 0·0 ⊕ 0·0 ⊕ 1·1 = 0
Definition: Ein Vektor v ∈ V heißt orthogonal zu einem Teilraum U von V, wenn v zu allen Vektoren von U orthogonal ist.
Satz: Die Menge der zu einem Teilraum U orthogonalen Vektoren bildet einen Teilraum U⊥ von V.
Ist dim(V) = n und dim(U) = k, so ist dim(U⊥) = n – k.
U⊥ heißt Orthogonalraum von U.
Oft ist es vorteilhaft, wenn die Basisvektoren eines Vektorraums orthogonal zueinander sind. Mithilfe des Gram-Schmidt-Verfahrens lässt sich eine beliebige Basis in eine Orthogonalbasis umformen.
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