Die Menge ℤ10 = {0, ..., 9} bildet mit der Addition modulo 10 als Verknüpfung eine Gruppe. Mit der Multiplikation modulo 10 als Verknüpfung bildet ℤ10 jedoch keine Gruppe, auch nicht, wenn die 0 ausgenommen wird, die bekanntlich kein inverses Element hat. Es stellt sich heraus, dass noch mehr Zahlen ausgenommen werden müssen, die ebenfalls kein inverses Element haben, nämlich 2, 4, 5, 6 und 8. Dieses sind genau die Zahlen, die einen echten Teiler mit 10 gemeinsam haben. Die schließlich verbleibenden vier Elemente, die teilerfremd zu 10 sind, bilden die multiplikative Gruppe ℤ10*.
Definition: Sei n ∈ ℕ. Die Menge ℤn* besteht aus allen Elementen von ℤn, die teilerfremd zu n sind.
ℤn* = { a ∈ ℤn | ggt(a, n) = 1 }
Dieses sind nämlich genau diejenigen Elemente von ℤn, die multiplikativ inverse Elemente haben.
Behauptung: Ein Element a ∈ ℤn besitzt genau dann ein multiplikativ inverses Element a-1, wenn ggt(a, n) = 1 ist, d.h. wenn a und n teilerfremd sind.
Beweis:
n | a·a-1 – 1
Ist d ein gemeinsamer Teiler von a und n, so folgt wegen d | n und d | a·a-1 auch d | -1, und dies bedeutet, dass ggt(a, n) = 1 ist.
1 = u·a + v·n
Hieraus folgt unmittelbar
1 ≡ u·a + v·n ≡ u·a (mod n)
Somit ist u zu a hinsichtlich der Multiplikation modulo n invers. Damit u in die Menge ℤn fällt, wird es noch modulo n reduziert, sodass sich das inverse Element von a ergibt:
a-1 = u mod n
Invertierbare Elemente bilden hinsichtlich der entsprechenden Verknüpfung stets eine abgeschlossene Menge, denn wenn a und b inverse Elemente a-1 bzw. b-1 haben, dann hat auch a·b ein inverses Element, nämlich b-1·a-1.
Satz: Die Menge ℤn* bildet mit der Multiplikation modulo n als Verknüpfung und der 1 als neutralem Element eine abelsche Gruppe, die multiplikative Gruppe modulo n.
Bemerkung: Die multiplikative Gruppe modulo n wird auch als die Gruppe der invertierbaren Elemente von ℤn bezeichnet.
Eine weitere Bezeichnung ist prime Restklassengruppe modulo n, wobei "prim" hier im Sinne von "relativ prim" (engl.: relatively prime), also teilerfremd gemeint ist.
Die Menge ℤn bildet einen Ring mit Eins. In einem Ring mit Eins werden die multiplikativ invertierbaren Elemente auch – wenig intuitiv – als Einheiten bezeichnet. Entsprechend wird die Menge ℤn* auch als die Einheitengruppe des Rings ℤn bezeichnet.
Die Anzahl der Elemente von ℤn* wird durch die eulersche Phi-Funktion φ(n) (nach L. Euler) angegeben.
Definition: Mit φ(n) wird die Anzahl der Elemente von ℤn* bezeichnet
φ(n) = |ℤn*|
Beispiel:
Satz: Sei n ∈ ℕ, n > 1. Dann ist
φ(n) = n · p | n (1 – 1/p)
Hierbei durchläuft p alle Primzahlen, die Teiler von n sind, einschließlich n selber, falls n eine Primzahl ist.
Beweis: Von den anfänglich n Zahlen 1, ..., n ist jede p-te durch die erste Primzahl p teilbar; werden diese gestrichen, verbleiben n·(1-1/p) Zahlen. Von diesen ist wiederum ein Anteil von 1/q durch die zweite Primzahl q teilbar; werden diese gestrichen, verbleiben n·(1-1/p)·(1-1/q) Zahlen usw.
Beispiel: φ(10) = 10 · (1 – 1/2) · (1 – 1/5) = 10 · 1/2 · 4/5 = 4
Korollar: Wenn n eine Primzahl ist, gilt
φ(n) = n-1
Korollar: Wenn n das Produkt zweier verschiedener Primzahlen p, q ist, also n = p·q, so gilt
φ(n) = (p-1)(q-1)
Eine zyklische Gruppe wird von einem einzelnen Element erzeugt, d.h. G ist zyklisch, wenn es ein a ∈ G gibt mit G = 〈a〉.
Beispiel: Die Gruppe ℤ10* ist zyklisch, denn
ℤ10* = 〈3〉 = { 31, 32, 33, 34 } = { 3, 9, 7, 1 }
Die Gruppe ℤ7* ist zyklisch, denn
ℤ7* = 〈5〉 = { 51, ..., 56 } = { 5, 4, 6, 2, 3, 1 }
Die Gruppe ℤ15* ist nicht zyklisch. Jedes einzelne Element von ℤ15* erzeugt eine echte Untergruppe.
Satz: Die Gruppe ℤn* ist genau dann zyklisch, wenn n gleich 2, 4, pk oder 2pk mit p Primzahl, p > 2 und k ∈ ℕ ist. Insbesondere ist ℤp* zyklisch, wenn p eine Primzahl ist.
Auch wenn eine Gruppe G zyklisch ist, bedeutet dies nicht, dass jedes Element die Gruppe erzeugt. Manche Elemente erzeugen auch echte Untergruppen von G.
Beispiel: Das Erzeugnis von 2 in der Gruppe ℤ7* ist
〈2〉 = { 21, 22, 23 } = { 2, 4, 1 },
also eine echte Untergruppe. Allgemein sind, sofern ℤn* selbst mehr als zwei Elemente enthält, stets
〈1〉 = { 1 } und
〈n-1〉 = { n-1, 1 }
echte Untergruppen.
Die Anzahl der erzeugenden Elemente einer Gruppe G = ℤp* mit p Primzahl und p > 2 hängt von der Anzahl der echten Untergruppen von G ab. Je weniger echte Untergruppen, desto mehr erzeugende Elemente hat G.
Nach dem Satz von Lagrange teilt die Anzahl der Elemente einer Untergruppe U einer endlichen Gruppe G die Anzahl der Elemente von G:
|U| | |G|
Bei zyklischen Gruppen gehört zu jedem Teiler von |G| genau eine Untergruppe. Je weniger Teiler also |ℤp*| = p-1 hat, desto weniger Untergruppen sind vorhanden und desto mehr erzeugende Elemente.
Da p ungerade ist, gilt
p-1 = 2·q
Somit sind 1, 2, q und 2q Teiler von p-1. Ist q Primzahl, so gibt es darüber hinaus keine weiteren Teiler.
Beispiel: Es sei p = 7. Dann ist p-1 = 2·q mit q = 3 Primzahl. Die Untergruppen von ℤ7* ergeben sich als Erzeugnisse 〈a〉 der Elemente a ∈ G. Es gibt vier Untergruppen mit 1, 2, q = 3 und 2q = 6 Elementen:
U0 = 〈1〉 = { 1 }
U1 = 〈6〉 = { 1, 6 }
U2 = 〈2〉 = 〈4〉 = { 1, 2, 4 }
U3 = 〈3〉 = 〈5〉 = { 1, 2, 3, 4, 5, 6 }
Allgemein erzeugt das Element 1 die UntergruppeU0 und das Element p-1 die Untergruppe U1. Von den verbleibenden p-3 Elementen erzeugen q-1 Elemente die Untergruppe U2. Wegen p-3 = 2(q-1) erzeugen also die Hälfte dieser p-3 Elemente eine echte Untergruppe und die andere Hälfte die gesamte Gruppe.
Genau die Hälfte aller p-3 Elemente von ℤp*, die zwischen 2 und p-2 liegen, sind also erzeugende Elemente, wohlgemerkt jedoch nur, wenn p-1 = 2q mit q Primzahl ist, sonst sind es weniger. Eine Primzahl p dieser Form wird als starke Primzahl bezeichnet.
Definition: Eine Primzahl p heißt starke Primzahl, wenn sie von der Form
p = 2·q + 1
mit q Primzahl ist. 1)
Beispiel: Die Primzahlen 5, 7, 11, 23, ... sind starke Primzahlen. Dagegen ist z.B. die Primzahl 13 keine starke Primzahl, weil 13 = 2·6 + 1 ist und 6 keine Primzahl ist.
Satz: Sei p eine starke Primzahl und sei a ∈ {2, ..., p-2}. Dann ist a erzeugendes Element von ℤp* genau dann, wenn gilt
a(p-1)/2 mod p ≠ 1
Um ein erzeugendes Element zu finden, wählt man solange zufällig ein a ∈ {2, ..., p-2}, bis a(p-1)/2 mod p ≠ 1 gilt. Die Wahrscheinlichkeit, dabei ein erzeugendes Element zu wählen, beträgt wie oben gesehen jedes Mal 1/2.
Aufgabe 1: Das Lemma von Bezout sagt aus, dass sich der größte gemeinsame Teiler g von zwei ganzen Zahlen a und b als ganzzahlige Linearkombination von a und b darstellen lässt:
g = u·a + v·b
mit u, v ∈ ℤ.
Falls ggt(a, b) = 1, so gilt auch die Umkehrung. Zeigen Sie:
Seien a, b ∈ ℕ. Wenn es ganze Zahlen u, v ∈ ℤ gibt mit
1 = u·a + v·b
dann gilt ggt(a, b) = 1.
Lösung:
Es gelte
1 = u·a + v·b
mit u, v ∈ ℤ. Sei d ein gemeinsamer Teiler von a und b. Dann gilt d | u·a und d | v·b und damit teilt d auch die Summe. Also gilt
d | 1
und damit folgt ggt(a, b) = 1.
1) Gelegentlich findet sich in der Literatur auch die Bezeichnung "sichere Primzahl".
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