Mathematische Grundlagen

Gruppentheorie

Eine Gruppe kann aus endlich vielen oder unendlich vielen Elementen bestehen. Die folgenden Definitionen und Sätze gelten teils nur für endliche Gruppen, teils für alle Gruppen.

Untergruppe

Definition:  Sei (G,  • , e) eine Gruppe. Eine Teilmenge H ⊆ G heißt Untergruppe von G, wenn (H,  • , e) eine Gruppe ist.

Beispiel:  Die Menge der geraden Zahlen ist eine Untergruppe von (ℤ, +, 0).

Wenn (G,  • , e) eine Gruppe ist, so sind stets {e} und G selbst Untergruppen von G. Manchmal werden diese deshalb auch als die trivialen Untergruppen bezeichnet. Eine Untergruppe von G, die nicht gleich G selbst ist, heißt echte Untergruppe.

Satz:  (Unter­gruppen­kriterium für endliche Gruppen)

Sei (G,  • , e) eine endliche Gruppe. Dann bildet jede nichtleere Teilmenge H ⊆ G, die unter der Verknüpfung  •  abge­schlossen ist, eine Untergruppe von G.

 

Für endliche Guppen gilt der folgende Satz von Lagrangezur Person; dieser Satz ist gelegentlich ein wichtiges Beweis­hilfsmittel:

Satz:  Sei (G,  • , e) eine endliche Gruppe und (H,  • , e) eine Untergruppe von G.  Dann gilt

|H|  ist Teiler von  |G|.

|H| bzw. |G| bezeichnet die Anzahl der Elemente von H bzw. G . Aus dem Satz folgt, dass eine echte Untergruppe einer endlichen Gruppe G höchstens halb so viele Elemente haben kann wie G.

Erzeugendes Element

Definition:  Sei (G,  • , e) eine Gruppe. Die k-te Potenz eines Elementes a ∈ G ist induktiv wie folgt definiert:

ak  =   geschweifte Klammer
e    für k = 0
a • ak-1    für alle k ∈ ℕ

Es ist also ak  =  a • ... • a  (k-mal).

Außerdem ist

a-k  =  (a-1)k

wobei a-1 das inverse Element von a ist.

Eine Untergruppe einer Gruppe G lässt sich dadurch erzeugen, dass alle Potenzen, auch negative, eines einzelnen Elementes a ∈ G gebildet werden. D.h. a wird mit sich selbst verknüpft, das Ergebnis wiederum mit a usw., dann dasselbe noch einmal mit dem zu a inversen Element a-1, und schließlich wird noch die Potenz a0 = e gebildet.

Beispiel:  Sei G die (unendliche) Gruppe (ℤ +, 0). Die Gruppe G besteht also aus der Menge der ganzen Zahlen

ℤ  =  {..., -2, -1, 0, 1, 2, ...}

mit der Addition als Verknüpfung, der 0 als neutralem Element und den negativen Zahlen als den inversen Elementen zu den positiven Zahlen.

Indem beispiels­weise das Element a = 3 fortgesetzt mit sich selbst verknüpft wird und ebenso das inverse Element -3, und indem noch die Potenz a0 hinzu­genommen wird, d.h. indem also alle Potenzen (auch negative) von a gebildet werden (bei additiven Gruppen entsprechen Potenzen ak den Vielfachen k·a), entsteht die Menge

3ℤ  =  {..., -6, -3, 0, 3, 6, ...}

Diese Menge bildet eine (unendliche) Untergruppe von ℤ.

Statt mit a = 3 funktioniert das Ganze mit jeder anderen ganzen Zahl a ∈ ℤ. Mit a = 0 entsteht die (endliche) Untergruppe 0ℤ = {0}.

Definition:  Sei (G,  • , e) eine Gruppe und a ∈ G. Die von a erzeugte Untergruppe ist

a⟩  =  { ak  |  k ∈ ℤ}.

Das Element a ist das erzeugende Element von ⟨a⟩.

Beispiel:  Die Menge ℤ6 = {0, 1, 2, 3, 4, 5} bildet mit der Operation +6, der Addition modulo 6, eine Gruppe. Die Untergruppen von (ℤ6, +6, 0) sind

⟨0⟩  =  {0}
⟨1⟩  =  {1, 2, 3, 4, 5, 0}
⟨2⟩  =  {2, 4, 0}
⟨3⟩  =  {3, 0}

Bei endlichen Gruppen G kommt bei der Bildung aller Potenzen eines Elements a irgendwann nichts Neues mehr hinzu. Tatsächlich brauchen in diesem Fall nur die Potenzen ak mit k ∈ {1, ..., |G|} gebildet zu werden, danach wiederholen sich die Werte. Aus diesem Grund heißen Gruppen, die von einem einzelnen Element erzeugt werden, zyklische Gruppen.

 

Zyklische Gruppe

Definition:  Eine Gruppe G heißt zyklisch, wenn sie von einem einzelnen Element erzeugt wird, d.h. wenn sie aus den Potenzen eines einzigen Elements a ∈ G besteht:

G  zyklisch  ⇔    ∃  a ∈ G   :   G  =  ⟨a⟩  =  { ak  |  k ∈ ℤ }

Beispiel:  

Die (unendliche) additive Gruppe (ℤ, +, 0) ist zyklisch, denn sie wird von der 1 erzeugt.

Die (endliche) additive Gruppe (ℤ6, +6, 0) ist zyklisch, denn

6  =  ⟨1⟩

Die multi­plikative Gruppe modulo 10 ℤ10* ist zyklisch, denn

10*  =  ⟨3⟩  =  { 31, 32, 33, 34 }  =  { 3, 9, 7, 1 }

Die Gruppe ℤ7* ist zyklisch, denn

7*  =  ⟨5⟩  =  { 51, ..., 56 }  =  { 5, 4, 6, 2, 3, 1 }

Die Gruppe ℤ15* ist nicht zyklisch. Jedes einzelne Element von ℤ15* erzeugt eine echte Untergruppe.

Wenn eine Gruppe G zyklisch ist, bedeutet dies nicht, dass jedes Element von G ein erzeugendes Element von G ist. Im Allgemeinen hat G zwar meist mehrere oder sogar viele erzeugende Elemente, aber etliche Elemente erzeugen auch nur echte Untergruppen von G. Beispiels­weise erzeugen bei der zyklischen Gruppe (ℤ6, +6, 0) die Elemente 0, 2, 3 und 4 echte Untergruppen. Die Elemente 1 und 5 sind erzeugende Elemente der gesamten Gruppe G.

Das neutrale Element e erzeugt stets die Untergruppe {e}.

Ordnung

Definition:  Sei (G,  • , e) eine Gruppe. Die Ordnung ord(a) eines Elementes a ∈ G ist die kleinste Zahl k ∈ ℕ, für die gilt

ak  =  e

Satz:  Sei (G,  • , e) eine endliche Gruppe und a ∈ G. Dann gilt

ord(a)  =  |⟨a⟩|

Beweis:  Sei k = ord(a), d.h. die kleinste natürliche Zahl, für die gilt ak = e. Dann sind die von a erzeugten Elemente a1, a2, ..., ak alle verschieden. Denn wäre a i = a j mit 1 ≤ i < j ≤ k, so wäre a j-i = e, wobei j-i < k, im Widerspruch dazu, dass k die kleinste Zahl ist mit ak = e.

Ebenso ist klar, dass ab ak+1 = ak • a = e • a = a keine neuen Elemente mehr hinzukommen. Somit hat ⟨a⟩ genau k Elemente.

Es folgt einer der wichtigsten Sätze der Gruppen­theorie für endliche Gruppen. Er besagt, dass ein beliebiges Element hoch Gruppen­ordnung immer das neutrale Element ergibt.

Satz:  Sei (G,  • , e) eine endliche Gruppe. Dann gilt für alle a ∈ G

a|G|  =  e

Beweis:  Nach dem Satz von Lagrange und nach dem vorigen Satz gilt

|G|  =  q · |⟨a⟩|  =  q · ord(a)   für irgendein q ∈ ℕ.

Ist ord(a) = k, so ist ak = e und

a|G|  =  aq·k  =  (ak)q  =  eq  =  e

 

Anwendung

Die obigen Definitionen lassen sich beispiels­weise beim Beweis des folgenden Satzes anwenden.

Satz:  Jede Untergruppe U einer zyklischen Gruppe G ist wiederum zyklisch.

Beweis:  

Wenn U = {e} ist, also nur aus dem neutralen Element von G besteht, so ist U = ⟨e⟩, wird also von e erzeugt und ist damit zyklisch. Im Folgenden sei U ≠ {e}.

Sei g ein erzeugendes Element von G. Dann sind alle Elemente von G und damit von U als Potenzen von g darstellbar.

Sei u = gm dasjenige Element von U, das mit dem kleinsten positiven Exponenten von g darstellbar ist. Ein solches Element existiert, denn es können nicht alle Exponenten negativ sein, weil U mit gm auch das inverse Element g-m enthält. Und es können auch nicht alle Exponenten 0 sein, denn U ≠ {e}.

Sei nun v ein beliebiges Element von U, jedoch v ≠ e. Dann ist

v  =  gx   oder   v  =  g-x  =  (g-1)x   mit   x > 0

Sei zunächst v = gx mit x > 0. Weil m kleinster positiver Exponent ist, gilt x ≥ m. Dann lässt sich x darstellen als x = q·m + r mit 0 ≤ r < m. Damit ist also

gq·m + r  =  gq·m · gr  ∈  U

Wegen der Abgeschlossen­heit von U gilt gq·m = (gm)q = uq ∈ U und damit auch gr ∈ U.

Da r < m gilt und m kleinster positiver Exponent ist, muss r = 0 sein. Damit gilt x = q·m und folglich

v  =  gx  =  gq·m  =  (gm)q  =  uq

Damit ist v darstellbar als Potenz von u.

Wenn v = (g-1)x mit x > 0 ist, gilt mit der gleichen Argumentation, dass

v  =  (g-1)x  =  (g-1)q·m  =  g-qm =  (gm)-q  =  u-q

Alle Elemente von U, einschließ­lich e = u0, sind also Potenzen von u, d.h. u ist erzeugendes Element von U, und damit ist U zyklisch.

Dieser Beweis ist ein wenig ausführlich, weil im Fall einer unendlichen zyklischen Gruppe wie etwa {ℤ, +, 0} auch die negativen Potenzen des erzeugenden Elements g berück­sichtigt werden müssen.

Wenn dagegen G eine endliche zyklische Gruppe ist, lassen sich alle Elemente von G als nicht­negative Potenzen eines erzeugenden Elements g darstellen. Denn wenn |G| = n ist, gilt

g-1  =  e · g-1  =  gn · g-1  =  gn-1

 

 

Der obige Satz lässt sich für endliche Gruppen noch genauer fassen:

Satz:  Sei G = ⟨g⟩ eine endliche zyklische Gruppe der Ordnung |G| = n. Dann gilt für jede Untergruppe U der Ordnung |U| = k

U = ⟨gn/k

d.h. U ist ebenfalls zyklisch mit erzeugendem Element gn/k. Tatsächlich ist n/k ist eine ganze Zahl, denn nach dem Satz von Lagrange ist n durch k teilbar.

Beweis:  Sei wieder wie im Beweis des vorigen Satzes u = gm dasjenige Element von U mit dem kleinsten positiven Exponenten von g. Wie gesehen ist dieses Element ein erzeugendes Element von U. Damit besteht U aus den Elementen {gm, g2m, g3m, ..., gkm = e}, wobei k die Ordnung von U ist und e das neutrale Element ist.

 

Satz:  Sei G eine zyklische Gruppe der Ordnung n und g erzeugendes Element von G. Sei ferner k ∈ ℕ und d = ggt(n, k). Dann gilt

gk⟩   =   ⟨gd

und

ord(ak)   =   n/d

Beispiel:  Es sei G = ℤ31* mit der Ordnung n = 30 und erzeugendem Element g = 3. Sei k = 12 und somit d = ggt(30, 12) = 6.

Dann gilt

⟨312⟩   =   36

und

ord(312)   =   30 / 6   =   5

Beweis:  

  1. Zunächst ist ⟨gk⟩   =   ⟨gd⟩ zu zeigen.
    1. Wegen d | k gibt es eine Zahl r ∈ ℕ mit k = d·r. Dann gilt

      gk  =  gd·r  =  (gd)r    ⇒    ⟨gk⟩  ⊆  ⟨gd

    2. Nach dem Lemma von Bezout ist der größte gemeinsame Teiler von n und k als ganzzahlige Linear­kombination von n und k darstellbar:

      d  =  u·n + v·k

      Damit gilt

      gd  =  gu·n + v·k  =  gu·n · gv·k  =  (gn)u · (gk)v  =  e · (gk)v  = (gk)v

      und folglich

      gd  =  (gk)v    ⇒    ⟨gd⟩  ⊆  ⟨gk

      Aus der beidseitigen Inklusion der Mengen folgt

      gd⟩  =  ⟨gk

  2. Als nächstes ist ord(ak)   =   n / d zu zeigen.

    Wegen d | n gilt

    gdn/d  =  an  =  e

    d.h.

    ord(gd) ≤ n/d

    Um auszuschließen, dass ord(gd) < n/d gilt, betrachten wir ein beliebiges i ∈ ℕ mit i < n/d bzw. d·i < n. Dann ist

    gdi  =  gd·i  ≠  e

    denn n ist der kleinste Exponent, derart dass gn = e ist. Also ist

    ord(gd)  =  n/d

Satz:  Jede zyklische Gruppe G der Ordnung n ∈ ℕ ist zu (ℤn, +n, 0), der additiven Gruppe modulo n, isomorph.

Beweis:  

Sei G eine zyklische Gruppe der Ordnung n. Dann enthält G ein erzeugendes Element g. Die Ordnung ord(g) ist gleich n, d.h. n ist der kleinste positive Exponent mit gn = e.

Die Abbildung

f : ℤn  →  G

mit

f(i)  =  gi

ist ein Iso­morphismus. Denn f ist eine bijektive Abbildung und f ist verknüpfungs­treu. Zu zeigen ist hierzu im Einzelnen:

  1. Jedes Element i ∈ ℤn hat ein Bild in G (f ist total definiert).

    Sei i ∈ ℤn. Dann ist f(i) = gi ∈ G.

  2. Wenn die Urbilder gleich sind, dann sind auch die Bilder gleich, d.h.i = j  ⇒  f(i) = f(j) (f ist eindeutig definiert).

    Seien i, j ∈ ℤn mit i = j. Dann gilt f(i) = gi = gj = f(j).

  3. Jedes Element a ∈ G hat ein Urbild in ℤn (f ist surjektiv).

    Sei a ∈ G. Dann gilt a = gi mit i ∈ ℤ. Denn jedes Element a ∈ G lässt sich als Potenz des erzeugenden Elements g darstellen. Sei nun i = q·n + r mit 0 ≤ r < n. Dann gilt

    gi  =  gq·n + r  =  gq·n · gr

    Da gn = e, gilt

    gi  =  gr

    und damit ist r ∈ ℤn das Urbild von a:

    f(r)  =  gr  =  gi  =  a

  4. Wenn die Urbilder verschieden sind, dann sind auch die Bilder verschieden, d.h.i ≠ j  ⇒  f(i) ≠ f(j) (f ist injektiv).

    Seien i, j ∈ ℤn mit i < j, also i + r = j mit 0 < r < n. Dann gilt

    gi + r = gi · gr  =  gj

    Wäre f(i)= f(j) und damit gi = gj, dann wäre durch Multi­plikation der Gleichung mit dem inversen Element von gi = gj

    gr  =  e

    Dies kann aber nicht sein, da r > 0 und r < n, wobei jedoch n der kleinste positive Exponent ist mit gn = e.

    Also gilt f(i)  ≠  f(j).

 

Aufgaben

Aufgabe 1:  Zeigen Sie, dass jede zyklische Gruppe abelsch ist.

 

Weiter mit:   [Ring, Körper]   [Literatur]   oder   [up]

 


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Created: 28.08.2000   Updated: 10.02.2023
Diese Webseiten sind während meiner Lehrtätigkeit an der Hochschule Flensburg entstanden